Wie bereits schon erwähnt, habe ich am 11. Januar das Arbeiten angefangen. Zu meinem Job hier in den USA: Ich unterrichte ESL (English as a Second Language) und IT (also Computerunterricht). Meine Schüler sind Leute mit Migrationshintergrund. Das ganze ist Teil der Erwachsenen-Bildung des Binghamton School Districts und wird im Gebäude der American Civic Association unterrichtet. Wir haben insgesamt 5 Klassen. Von einer kompletten Einsteiger-klasse, Analphabeten bis hin zu einem Englisch-Level das ich mal so 7-9 Klasse Realschule einordnen würde, ist alles mit dabei. Es ist wundervoll wenn man einen Job hat, der einem jeden Tag das Gefühl gibt etwas gutes zu tun. Ich habe die Möglichkeit nun jeden Tag Menschen mit ihrem Leben zu helfen. Wenn die Studenten/Schüler zu uns im niedrigsten Level kommen bedeutet das, das sie gar kein bis hin zu ein paar wenigen Worten Englisch sprechen. Es ist schwer in einem Land zu leben, wenn man die Sprache nicht spricht (Ich hätte nie gedacht das ich das einmal sagen würde: Danke Deutsches Bildungssystem für deinen Englisch-Unterricht.). Allein schon das ausfüllen des Anmeldeformulars für den Computer wird da schon zur Herausforderung. Wie füllt man ein Formular aus ohne zu verstehen was man da eigentlich ausfüllen soll? Wenn es schon schwierig ist ein einfaches Formular auszufüllen, wie schwer ist es dann zum Arzt zu gehen wo man seine Symptome beschreiben soll, einkaufen ist schwer, nach dem Weg fragen nahezu unmöglich. Englisch zu lernen ist für meine Schüler lebensnotwendig. Wahrscheinlich sind sie deshalb mit einem solchen Elan dabei. Es ist schön zu beobachten wie sie am Anfang nur still dasitzen weil sie einen nicht verstehen, nach ein paar Tagen einen dann das erste mal morgens auf Englisch grüßen, einen dann irgendwann nach den Plänen für das Wochenende fragen usw. Von den Altersstufen her ist bei den Studenten alles mit dabei. Umso toller ist es das sich alle mit einem unglaublichen Respekt und einer so warmen Herzlichkeit begegnen. Und es macht einen unendlich Stolz wenn die Studenten nach kurzer Zeit anfangen einem zu vertrauen und auch bei privaten Angelegenheiten um Rat fragen.
Ich habe nicht wie die anderen Lehrer eine feste Klasse. Mein Unterrichtsmaterial sind under anderem ein Rollcontainer voll mit 20 Google-Chrome-Laptops und das Internet. Mit meinem Rollcontainer gehe ich von Raum zu Raum, immer zwei Klassen an einem Unterrichtstag, sodass ich jedes Level zweimal die Woche besuche. Jede Klasse ist so unterschiedlich und hat eine ganz andere Dynamik und damit auch ganz andere Anforderungen an meinen Unterricht. Denn allein schon die Tatsache das ich, als nicht Muttersprachler und nicht Sprachen-Studierter nun Englisch unterrichte ist eine lustige Kombi. Aber zumindest spreche in nach den letzten Monaten hier in den USA fließend mit Händen-und-Füßen.
„A big thank you to all the teachers and students. Thank you for all the trust and faith in me! You´re all such great, kind and amazing people. I love to learn from you and my time with you. And I´m thankful of having the opportunity to teach you about things I learned so far in my life. To all of my students: I´m very proud about all the things you have accomplished in the past weeks. I know it´s not always easy to live in a foreign country with a language you will first have to learn. But you are doing such a great job every day. I wish you all the best for the future wherever it may take you!“
Der Unterricht finden unter der Woche täglich von 9 – 12 Uhr statt, für die Lehrer kommt noch täglich ca. eine Stunde Vorbereitungszeit (bei mir meist mehr) hinzu. Also summa summarum 4 Stunden an fünf Tagen die Woche. Man muss kein Mathegenie sein um herauszufinden das mein Lehrer-Job kein Vollzeitjob sondern viel mehr ein 20h Job ist. Das gibt mir genug zeit um mehr Zeit in die Vorbereitung auf den Unterricht zu investieren, weiter ehrenamtlich zu arbeiten, weiterhin tanzen zu gehen, ein wenig zu reisen, diesen Blog zu schreiben (das ist nämlich zeitintensiver als ich gedacht habe. Das erklärt auch warum ich nicht allzu oft blogge.), usw….
Von Anfang Januar bis jetzt bitte März hat das Wetter verrückt gespielt. An einem tag waren es über +10°C, am nächsten dann über -20°C. Ich freu mich schon so sehr darauf wenn es endlich warm bleibt und ich nach dem Besuch meines Bruders Michi (Spoiler-Alert: mehr dazu in einem der nächsten Beiträge) endlich mein Auto verkaufen kann und somit wieder zur Radfahrerin werden kann. Ein paar mal konnte ich das Wetter ja bisher schon nutzen und mit dem Rad zur Arbeit und zurück fahren.
Meine Gastmami ist auch nach wie vor noch groß im Kostümbusiness. Demnächst führt die High School das Stück „Once upon a mattress“ auf. Es ist ein Stück das die Geschichte von der Prinzessin auf der Erbse auf lustige Weise als ein Prinzessinnen-Wettbewerb erzählt. Candace hat ingesamt mehr als 40 Kostüme (davon sind die meisten Prinzessinnenkleider) zu machen.
Gastvater Jim hat mir in der Zwischenzeit beigebracht wie man Brot nach einem Rezept der Amish People bäckt. Köstlich!!! Und meine Versuche die Leute hier von Nutella als Ersatz für Peanut Butter zu überzeugen klappen auch deutlich besser mit jedem Mal 😉
Ansonsten ist das normale Leben hier nun ziemlich normal geworden seit ich arbeite. Mal Sport in der Arena in Binghamton schauen, ins Kino oder zum Essen gehen, Fernseh- oder Spielabende, gemeinsames Kochen oder nähen, etc.
In vorangegangenen Beiträgen habe ich erzählt das ich zusammen mit meiner Gastmama immer Mittwoch Abend zum Jass- und Stepptanzes gehe. Mit eben jener Klasse hatten wir Mitte Februar einen Auftritt anlässlich einer Spendengala bei EPAC (Endicott Performing Arts Center). Wir hatten eine Menge Spaß auf der Bühne.
Aber was wäre schon ein kultureller Austausch ohne ein wenig Reisen? Eben,…also bin ich am Wochenende vor dem Präsidentsday zusammen mit Thaylor (Venezuela) nach Washington DC gefahren um mich dort mit Deniz (ebenfalls Teilnehmer am PPP) zusammen zu treffen. Er ist einer der Teilnehmer des CIP (Congress-Internship-Program), durch das er die Möglichkeit hat für mehrere Wochen in Washington DC für einen Abgeordneten des Amerikanischen Congress zu arbeiten. Der Plan war eigentlich sich das Kongressgebäude mal von innen anzusehen, das Weiße Haus zu sehen und dann vielleicht noch ein wenig durch downtown zu schlendern sowie ein paar Museen zu besichtigen. Tja, aus dem Plan wurde dann leider nicht so viel. Es hatte geschneit. Tja, und bei Schnee macht wie ich nun weiß in Washington DC leider alles dicht. Die Denkmäler sind abgeriegelt damit keiner auf den Stufen ausrutschen kann, keine Führungen in Congress oder Weißem Haus und die Museen werden auch alle geschlossen. Tja, wir haben uns halt dann alles aus einer gewissen Entfernung angesehen und sind dann zu Madame Tussauds. Die Heimfahrt von Washington DC nach Binghamton war dann dank Schneesturm auch noch zu ein richtiges Erlebnis.
So, nun zum letzten Abschnitt für diesen Beitrag.
Wenn man mit einer Person zusammen lebt, die ein wahres Kostümwunder ist und die oft Zeit in Theatern verbringt, wird man selbst auch zur Theaterperson. Ich werde also Mitte Mai zusammen mit meiner Gastmama in einer Theaterproduktion des EPAC (Endicott Performing Arts Center) zu sehen sein. Hört sich ja eigentlich ganz normal und logisch an. Also kommen wir zum nicht normalen: Es ist eine Burlesque show (zum Begriff Burlesque eine kurze Erklärung: Es ist nicht zu verwechseln mit einer Strip show. Man ist zwar auch nur leicht bekleidet, alle wichtigen Körperstellen bleiben aber bedeckt. Burlesque wird schon seit vielen Jahren aufgeführt. Ursprünglich waren die Darsteller sogar viel mehr bedeckt. Es geht hauptsächlich darum die Schönheit eines jeden Körpers darzustellen. Oder zumindest wurde es mir so erklärt.)! Wer mich kennt weiß das ich für meine ein wenig verrückten Entscheidungen auch meistens eine (manchmal logische) Erklärung habe. Angefangen hat alles als ich zu meiner Gastmama meinte: „Wenn du für Burlesque vorsprichst mach ich´s auch!“. Wie kam es zu meiner Aussage? Vor ein paar Jahren war meine Gastmama ein Teil der Show (Burlesque wird seid mehreren Jahren bei EPAC aufgeführt) und hat mir davon erzählt. Ich konnte es ihr erst nicht glauben, schließlich ist meine Gastmutter um die 60 Jahre alt. Ich hatte nicht damit gerechnet das sie sich dazu entscheiden könnte, an der Show teilzunehmen, da sie ja erstens nicht viel Zeit hat da sie Vollzeit bei STAP arbeitet und in Teilzeit Kostüme näht, und zweitens da ich glaube ich mit fast 62 nicht mehr den Mut hätte in Unterwäsche/Reizwäsche auf der Bühne zu stehen. Tja, ich habe die Rechnung ohne meine drei Lieblings-Dragqueens und Candace´s Burlesque Lieblingslieder gemacht. Also habe ich vorgesprochen und war auch gleich in der Show. Die Proben haben mittlerweile angefangen und ich bin nun heilfroh über meine große Klappe, die mich erst zum Vorsprechen gebracht hat. Ich habe nämlich wahnsinnig viel spaß daran, stundenlang in high heels zu tanzen und unsere ganze Truppe für die Show ist einfach mit so vielen wundervollen, talentierten und netten Leuten bestückt. Also ja, man kann mich Mitte Mai an an der Seite von Dragqueens und meinen Dance-Girls in Unterwäsche in zehn Nummern auf der Bühne des EPAC sehen ;P